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Alexandertechnik

Alexander-Technik

Der Alexandertechnik geht es um bewusste Identifikation und das bewusste Anhalten von ineffizienten, einschränkenden Gewohnheiten, damit sich der Organismus auf natürliche Weise entfalten kann.

Selbst-Gebrauch

Während Sie diese Seite lesen, könnten Sie sich fragen: „Ist mir bewusst, wie ich vor dem Computer sitze? Wo befinden sich die Kontaktpunkte meines Körpers mit der Sitzunterlage? Mit wie viel Kraft bedienen meine Finger die Tastatur? Bewegen sich beim Lesen nur meine Augen oder bewegt sich auch mein Kopf? Gibt es Spannungen in meinem Rücken, meinen Schultern, meinen Beinen oder meinem Kiefer? Wie konzentriere ich mich auf diese Aktivität? Wie atme ich?
Versuche ich auf Basis dieser Wahrnehmungen, meine innere und äußere Haltung zu verändern, und wie tue ich das? Schafft mir diese Veränderung Erleichterung oder strengt es mich zusätzlich an? Wie fühle ich mich dabei?“

Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Alexander Technik. Dabei bezeichnet man die Art und Weise wie wir unseren Organismus in alltäglichen Situationen einsetzen und gebrauchen als „Selbst-Gebrauch“. Jeder Gegenstand oder Apparat bringt eine bestimmte Grundausstattung mit.

Aus dieser Grundausstattung leitet sich der effektive Gebrauch dieses Objektes ab. Genauso bestimmt sich der effektive Selbst-Gebrauch von uns Menschen aus unserer biologischen und mentalen Grundausstattung. Gebrauchen wir uns in Übereinstimmung mit unserer natürlichen Grundausstattung so spricht man von „gutem Selbst-Gebrauch“ – das Ziel jeglicher Alexandertechnik-Arbeit.

Ein guter Selbst-Gebrauch darf nicht als Einnehmen einer optimalen statischen Körperhaltung in einer bestimmten Lebenssituation missverstanden werden. Selbst-Gebrauch bezieht sich auf den Menschen in seiner Ganzheit als körperliches Wesen, aber auch auf seine Gedanken, Wahrnehmungen, Emotionen und Impulse. Da sich diese Phänomene von Moment zu Moment verändern, trägt das Konzept des „Selbst-Gebrauchs“ auch der Prozesshaftigkeit und Dynamik des Lebens Rechnung.

Selbst-Gebrauch und Funktion

„Der Selbst-Gebrauch bestimmt die Funktion“, sagt man in der Alexander-Technik. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass ein schlechter Selbst-Gebrauch im Laufe unseres Lebens einen fortlaufend negativen Einfluss auf uns ausübt und damit unser allgemeines Funktionsniveau herabsetzt. In leichteren Fällen halten wir einfach nur mehr Spannung als nötig in unserem Organismus und unsere geistig-körperliche Koordinations- und Leistungsfähigkeit ist entsprechend herabgesetzt. Hält der negative Einfluss eines schlechten Selbst-Gebrauchs jedoch über längere Zeit an, können sich typische Zivilisationsbeschwerden wie z.B. Rücken- und Gelenkschmerzen, Arthritis, Kopfschmerzen, ständige Müdigkeit, Atembeschwerden oder Depression herausbilden.
Unser Rücken schmerzt also nicht, weil unsere Muskeln nicht stark genug sind, sondern weil wir unseren Organismus auf eine ganz bestimmte Art und Weise einsetzen – sei es beim Sitzen am Schreibtisch, beim Geschirrspülen, beim Gehen, beim Spielen eines Instruments oder beim Sport. Krafttraining, Gymnastik oder Schwimmen beseitigen die Rückenschmerzen nicht unbedingt, weil dadurch der Selbst-Gebrauch nicht verändert wird.

Es geht darum, die Dinge auf eine andere Art und Weise zu tun, unabhängig davon, was wir tun. Eine schmal gebaute Afrikanerin mit wenig Muskelkraft kann u.U. schwere Lasten regelmäßig über lange Strecken tragen, ohne Rückenschmerzen zu bekommen, weil die Art und Weise, wie sie das tut durch eine hohe Qualität der körperlich-mentaler Koordination gekennzeichnet ist.

Ein guter Selbst-Gebrauch übt einen konstant positiven Einfluss auf unser Funktionieren aus. Der Druck auf Knochen, Gelenke, Muskeln und Organe wird auf ein Minimum reduziert. Das neuro-muskuläre System arbeitet gut koordiniert und effizient. Der Organismus zeichnet sich durch dynamische Balance, Wachheit, Ruhe, Vitalität und hohe Lernfähigkeit aus.
Die Alexander Technik fördert den guten Selbst-Gebrauch v.a. mit den Mitteln von „Inhibition“ und „richtunggebenden Anweisungen“.

Inhibition

Unser Selbst-Gebrauch ist im Wesentlichen bestimmt durch Gewohnheiten. Wir haben im Laufe unseres Lebens die Gewohnheit entwickelt, auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu gehen, nach einem Gegenstand zu greifen oder vom Stuhl aufzustehen. Wir können die Gewohnheit haben, ständig in Eile zu sein, und auch häufig Angst zu haben kann eine schlechte Gewohnheit sein.
Unsere Gewohnheiten lassen uns automatisch auf die Anforderungen des Lebens reagieren. Jeder hat unzählige Male erlebt, dass es sehr schwer ist, eine schlechte Gewohnheit abzulegen. Irgendetwas zieht uns wie ein Gummiband immer wieder in die alte Gewohnheit zurück. Warum? Weil sich das Alte richtig anfühlt und unsere Sinneseinschätzungen signalisieren, es gäbe keinen besseren Weg.

Veränderungsarbeit versucht häufig auf direktem Wege neue Verhaltensmuster einzuführen und beachtet nicht, dass damit alte Verhaltensmuster nicht gleichzeitig „verschwunden“ sind. Das Neue wird sozusagen nur über das Alte gelegt, und beides formiert sich zu einem Zustand, der oft noch komplexer, spannungsreicher und unzweckmäßiger ist als der alte.
In der Alexandertechnik geht es deshalb zunächst und vor allem darum, Reaktionen, die wir als ungeschickt erkannt haben, abzulegen. Man bezeichnet das als „Inhibition“. Inhibition ist keine Verdrängung. Inhibition ist die bewusste Identifikation und das bewusste Stoppen von ineffizienten, einschränkenden Gewohnheitsmustern, damit sich der Organismus auf natürliche Weise entfalten kann.

Ein kleines Beispiel aus der Praxis: Bei den meisten Menschen ist das Aufstehen vom Stuhl mit Anspannungen in den Beinen verbunden, die einem Vielfachen des Nötigen entsprechen. Obwohl der Alexander-Technik-Lehrer den Schüler darauf hinweisen wird, kann dieser dieses Verhalten zumeist nicht unterbinden, weil die Gewohnheit, das Alte zu tun (die Beine stark anzuspannen beim Aufstehen), so groß ist. Der Lehrer zeigt dem Schüler zunächst keine neue Technik, die eine andere Form des Aufstehens vom Stuhl ermöglicht. Vielmehr unterstützt der Lehrer den Schüler darin, die alte Reaktion aufzugeben (Inhibition). Gelingt dies schließlich, ist alleine dadurch die Bewegung mit weniger neuro-muskulärer Spannung verbunden und wird folglich leichter und natürlicher.
Verhalten, das von Inhibition begleitet ist, erlaubt unseren Reflexen, ungestört zu arbeiten und uns mühelos gegen die Schwerkraft aufzurichten. So konnte F.M. Alexander (der Begründer der Alexander Technik) sagen: „Wenn wir aufhören, das Falsche zu tun, geschieht das Richtige von selbst.“

Inhibition ist der zentrale Aspekt, der in der Alexander-Technik-Arbeit geschult wird. In der modernen Welt, die durch Reizüberflutung gekennzeichnet ist, bringt Inhibition die wertvolle Fähigkeit mit sich, nicht automatisch und gewohnheitsmäßig auf Reize reagieren zu müssen. Dies schafft Ruhe und Raum für erfülltes Sein. Bewusste Lern- und Anpassungsprozesse können sich in ihrer eigenen Zeit entfalten.

Richtunggebende Anweisungen

„Richtunggebende Anweisungen“ bilden neben Inhibition das zweite wesentliche Praxiskonzept der Alexander-Technik. Richtunggebende Anweisungen sind eine Möglichkeit, wie wir uns selbst auf eine angenehme und sinnvolle Weise mental und körperlich ausrichten können.

In unseren Alltagsaktivitäten tun wir das ständig – mehr oder weniger bewusst und mehr oder wenig effektiv. Sitzen wir z.B. auf einem Stuhl, so richten wir uns auf das Sitzen aus. Wir nehmen etwa wahr, dass wir eine zusammengesunkene Haltung eingenommen haben. Vielleicht spüren wir viel Spannung oder gar Schmerz im Rücken oder den Schultern. Dann sagen wir uns: „Ich sollte aufrecht sitzen“ und versuchen unsere Vorstellung von „aufrecht sitzen“ in die Tat umzusetzen. Schon nach kurzer Zeit fühlt sich das Aufrechtsitzen sehr anstrengend an, die Atmung wird enger und wir finden uns bald in der alten kollabierten Position wieder. Offensichtlich stimmt irgendetwas nicht mit der Art und Weise, wie wir uns ausgerichtet haben, bzw. mit den Anweisungen, die unser Nervensystem an die Muskeln gegeben hat.
Die Alexandertechnik versucht diese Verrichtungen mit mehr Bewusstheit, Effizienz und Leichtigkeit zu steuern.

An dieser Stelle setzt das Konzept der richtunggebenden Anweisungen an. Es gibt praktische Antwort auf die Frage der qualitativen Ausgestaltung des Denkens in Aktivität. Richtunggebende Anweisungen sind in der Alexander-Technik-Arbeit als expansiver Vorgang zu verstehen. Sie weiten uns, nehmen unnötige Spannung aus dem Organismus und bereiten die jeweiligen Aktivitäten unmittelbar und effektiv vor bzw. begleiten diese.

Die Qualität von richtunggebenden Anweisungen lässt sich mehr durch Begriffe wie „geschehen lassen“, „zulassen“ oder „energetische Fließrichtungen erlauben“ beschreiben als mit „Tun“. Die Vorstellung, direkt eine bestimmte Sitzhaltung einzunehmen, ist per se schon zu Tun-orientiert und zu fixiert. Wir setzen zusätzliche Spannung ein, um uns in eine als gut bewertete äußere Haltung zu bringen. Es gibt jedoch keine richtige Haltung als statisches Konzept, es gibt nur richtige Richtungen, die uns in natürliche, dynamische Balance bringen können. Das bedeutet „Loslassen in eine gute Ausrichtung“. Die Befähigung dazu wird in der Alexander-Technik-Arbeit systematisch trainiert und erfahren.
Damit wird klar, dass richtunggebende Anweisungen untrennbar mit Inhibition verbunden sind und beide der Verbesserung des Selbst-Gebrauchs dienen.

Frederick Matthias Alexander – der Begründer der Alexander Technik

Der in Tasmanien/Australien geborene Frederick Matthias Alexander (1869-1955) ist der Begründer der so genannten Alexander-Technik. Er war ein eher kränkliches Kind und litt u.a. unter Asthma.
Als junger Mann folgte er seiner Neigung und wurde Schauspieler und Rezitator. Nach kurzer Zeit hatte er sich in Australien als Vortragskünstler einen Namen gemacht.
Doch schon bald war er mit einer existenziellen Krise konfrontiert, die seinem Leben eine entscheidende Wendung geben sollte. Während seiner Auftritte traten zunehmend Heiserkeit und Atembeschwerden auf, die schließlich so zunahmen, dass seine Karriere ernsthaft in Gefahr geriet. In seiner Not wendete er sich an Ärzte und Stimmtrainer. Doch alle empfohlenen Therapien und Übungen sowie zeitweise Schonung der Stimme brachten keinen Erfolg. Die Tatsache, dass Alexanders Stimme sowohl im Alltag als auch vor den Auftritten deutlich besser funktionierte als während der Vorstellungen, brachte ihm eine entscheidende Erkenntnis: Seine Stimmprobleme mussten mit etwas in Verbindung stehen, was er v.a. während des Rezitierens „tat“. Er brach alle Therapieversuche ab und war entschlossen, des Rätsels Lösung selbst zu finden. Das war der Beginn von Alexanders einzigartiger, wissenschaftlicher Entdeckungsreise, die ihn nicht nur sein eigenes spezifisches Problem lösen, sondern auch ein umfassendes Lehrsystem entwickeln ließ.

Alexander stellte in seiner Wohnung Spiegel auf und beobachtete sich immer wieder beim Rezitieren, beim normalen Sprechen und bei anderen Verrichtungen. Es fielen ihm in der Art und Weise, wie er rezitierte, zunächst drei Dinge auf, die beim normalen Sprechen sehr viel schwächer auftraten:

  • Er versteifte seinen Nacken und zog seinen Kopf nach hinten.
  • Er zog seinen Kehlkopf zusammen.
  • Er zog mit einem hörbaren Geräusch die Luft ein.

Gelegentlich gelang es ihm, seine Gewohnheit, den Nacken zu versteifen, abzuschwächen, worauf sich seine Stimmqualität temporär verbesserte. Diese Beobachtung bestätigte ihn darin, dass seine Stimmprobleme („Funktionieren“) ursächlich auf die Art und Weise zurückzuführen waren, wie er rezitierte („Selbst-Gebrauch“). Außerdem stellte er fest, dass sich ein weniger versteifter Nacken auch positiv auf den zusammengezogenen Kehlkopf und die Atmung auswirkte. Umgekehrt konnte er aber das Zusammenziehen des Kehlkopfs und das Einsaugen der Luft beim Rezitieren nicht direkt beeinflussen. Daraus schloss Alexander, dass der versteifte Nacken ein primärer, übergeordneter Faktor seiner Koordination sein musste.
Angespornt durch diese Erkenntnisse setzte Alexander seine erfahrungswissenschaftlichen Forschungen fort. Der versteifte Nacken und der zurückgezogene Kopf waren als entscheidende Probleme erkannt, und so versuchte er immer wieder, seinen Kopf nach vorne in eine günstigere Position zu bringen.

Zu seiner Enttäuschung stellte er beim Blick in den Spiegel jedoch fest, dass er dadurch seinen Kopf immer weiter zurückzog, obwohl er doch glaubte, das Gegenteil davon zu tun. Auch der Druck auf den Kehlkopf und das Einsaugen der Luft wurden durch seine Bemühungen negativ beeinflusst. Seine sensorische Wahrnehmung zeigte ihm also nicht das an, was tatsächlich passierte, sondern leitete seine Korrekturversuche in die Irre („Falsche Sinneseinschätzung“).

Dies führte Alexander zu der umfassenden Frage, wie er sich beim Rezitieren (bzw. bei anderen Tätigkeiten) effizient selbst steuern konnte. Im Laufe von vielen Jahren entwickelt er dazu das weiter oben beschriebene System von Inhibition und richtunggebenden Anweisungen. Er nannte es auch „Denken in Aktivität“: Im Kern geht es darum, bestimmte förderliche Ausrichtungen eher nur zu denken bzw. zuzulassen, als sie tatsächlich zu tun.

Außerdem wurde Alexander darauf aufmerksam, dass die von ihm zunächst entdeckten Spannungen (z.B. Nacken versteifen) nur Teil eines umfassenderen Spannungsmusters waren und dass diese Muster nicht nur beim Rezitieren, sondern im abgeschwächter Form auch bei anderen Tätigkeiten zu beobachten waren. Teil seines „Selbst-Gebrauchs“ war u.a. das Hochziehen des Brustkorbs, die Verkrümmung der Wirbelsäule, das Nach-vorne-Drücken des Beckens, eine Über-Anspannung der Beine und das Festkrallen der Füße in den Boden. Alle diese Faktoren beeinflussten sich gegenseitig und wirkten sich auf seine Balance und Bewegungen einschränkend aus.
Als primär für die Qualität des Selbst-Gebrauchs erkannte Alexander jedoch die dynamische Relation von Kopf, Nacken und Rumpf. Diese Relation bestimmt übergeordnet den allgemeinen Koordinationszustand des menschlichen Organismus („Primärsteuerung“).

Die Arbeit an sich selbst veränderte Alexander grundlegend. Seine Stimmprobleme und das Asthma, das ihn seit seiner Kindheit geplagt hatte, verschwanden. Die Leichtigkeit seiner Bewegungen und seine Ausstrahlung begeisterten die Menschen.
Viele kamen zu ihm und wollten von ihm lernen bzw. ihre verschiedensten Leiden loswerden. Alexander erkannte schnell, dass seine Entdeckungen universeller Natur waren, und er differenzierte im Laufe der Jahrzehnte sein wissenschaftliches System immer weiter aus. Im Jahre 1904 siedelte er nach London über und setzte dort seine außerordentlich erfolgreiche Lehrtätigkeit fort. Zu seinen Schülern und Unterstützern zählten u.a. die Schriftsteller George Bernard Shaw und Aldous Huxley und der große amerikanische Philosoph John Dewey. Alexander schrieb insgesamt vier Bücher und bildete ab 1931 viele Lehrer aus, die eine Arbeit weitertrugen, die heute als Alexander-Technik bezeichnet wird.
Im Jahre 1955 starb Frederick Matthias Alexander, nachdem er noch einige Wochen vorher seine letzte Unterrichtsstunde gegeben hatte.

Alexander-Technik im Studio Equilibrium